Der geständige Jan Ullrich bestätigte vor Gericht noch einmal den Unfallhergang und die bewusst vorgenommene Alkoholfahrt. So seien am Montag, 19. Mai 2014, gute Freunde aus München bei ihm zu Besuch gewesen, welche ein paar Flaschen Weisswein als Geschenk mitgenommen hatten. Nach der Degustation bemerkte er auf seinem Mobiltelefon, dass noch eine Verabredung in Tägerwilen eingeplant war und setzte sich «ohne zu überlegen» ins Auto. «Ich habe mich noch fahrtauglich gefühlt, wir hatte ja keine der Flaschen ganz zu Ende getrunken», so Ullrich vor Gericht.
Die Blutprobe ergab jedoch ein anderes Bild. Er fuhr um 18.30 Uhr mit über 1,8 Promille von Scherzingen nach Tägerwilen, nahm den Termin wahr und macht sich dann wieder auf den Heimweg. Dabei fuhr er um 20.05 Uhr mit 139 Stundenkilometern auf die Verzweigung bei Mattwil zu. «Heute weiss ich, dass die Reaktionszeit erheblich höher ist unter Alkoholeinfluss», erklärte sich Ullrich bei der Befragung. Aufgrund der um 59 Stundenkilometern überhöhten Geschwindigkeit kam er bei der Kreuzung nicht mehr genug früh zum Stillstand und stiess mit einem Personenwagen zusammen. Dieser wurde über die Hauptstrasse katapultiert, kollidierte mit dem Stopp-Schild, überschlug sich und rutschte auf die gegenüberliegende Wiese. Ullrichs Audi RS6 rollte weiter über die Kreuzung hinweg und prallte frontal mit dem ihm entgegenkommenden Auto zusammen. «Davon weiss ich jedoch nichts mehr, der Airbag ging auf und ich habe nichts mehr gesehen», so Ullrich. Beim Unfall entstand ein Sachschaden von 69’500 Franken.
Verwerfliches Handeln
«Es war ein grosser Zufall und viel Glück, dass die in den Unfall verwickelten Personen nicht schwer verletzt oder sogar getötet worden sind», gab Staatsanwältin Deborah Holliger-Schalch zu bedenken. Zudem sei der ehemalige Radprofi 2008 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln schon einmal zu einer Geldstrafe verurteilt worden, und da er die Strecke samt Kreuzung kannte, sei die Verwerflichkeit seines Handelns beträchtlich. Dass er sich nach dem Unfall sofort kooperativ gegenüber den Behörden zeigte und durch das Bezahlen des Schadens Reue zeigte, wirkte sich strafmildernd aus. Die Staatsanwaltschaft beantragte darum eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten sowie die Maximalbusse in Höhe von 10’000 Franken. Hinzu kommen noch die Untersuchungs- und Verfahrenskosten, welche sich auf über 15’000 Franken belaufen. Auch Jan Ullrich und seine Anwälte zeigten sich mit der Strafe einverstanden.
«Es war ein riesen dummer Fehler von mir», entschuldigte sich Ullrich im Schlusswort bei den Geschädigten und versicherte, dass ihm so etwas im Leben nicht mehr passieren werde. Er schäme sich, sei aber heilfroh, dass niemand ernsthaft verletzt wurde.
Ein Stundenkilometer schneller?
Das Dreiergericht widersprach nach einer zweistündigen Beratung den Ausführungen der beiden Parteien und genehmigte das abgekürzte Verfahren nicht. Sie gehen davon aus, dass Ullrich mit 143 statt 139 Stundenkilometern unterwegs war und somit die für ein Raserdelikt nötige Limite überschritten habe. Nach dem 2013 vom Bundesrat eingeführten Verkehrssicherheitspaket «Via sicura» gilt ein Fahrzeuglenker mit einer überhöhten Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern auf einer Strecke mit der Höchstgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometer automatisch als Raser.
Nun wird der Fall vom Bezirksgericht Weinfelden in einem ordentlichen Verfahren neu aufgerollt. Sollte die Vermutung zutreffen, droht Jan Ullrich eine unbedingte Gefängnisstrafe.