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Freie Bahn mit unsichtbaren Leitplanken

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Bringen Thur-Natur und Landwirtschaft unter einen Hut: Beat Baumgartner, Chef Amt für Umwelt des Kantons Thurgau, Heinz Rutishauser, Abteilung Wasserbau und Hydrologie, Marcel Tanner, Ressortleiter Wasserbau (v. l.). (Bild: zvg)

Bringen Thur-Natur und Landwirtschaft unter einen Hut: Beat Baumgartner, Chef Amt für Umwelt des Kantons Thurgau, Heinz Rutishauser, Abteilung Wasserbau und Hydrologie, Marcel Tanner, Ressortleiter Wasserbau (v. l.). (Bild: zvg)

Seit 1993 wird die Thur etappenweise im Rahmen der 2. Thurkorrektion hochwassersicherer gemacht, wobei auch die ökologischen Aspekte des Gewässers berücksichtigt werden. «Das ist eine der Grundvoraussetzungen dafür, dass der Bund für ein solches Projekt Subventionen bezahlt», führte Beat Baumgartner, Chef Amt für Umwelt des Kantons Thurgau, am 16. Juli 2015 anlässlich einer Begehung aus. Die Strecke unterhalb der Rohrerbrücke im Nordwesten von Frauenfeld bis zur Zürcher Grenze entspricht den ökologischen Zielvorstellungen des Bundes und wird deshalb von ihm finanziell mitgetragen.

Auflandungen und Erosion sind erwünscht
Ein besonderes Augenmerk verdient dabei das Schaffäuli, ein Auenwald von nationaler Bedeutung unterhalb der Altikonerbrücke bei Niederneunforn. Er muss seiner Natur gemäss immer wieder überschwemmt werden, Vergänglichkeit ist hier Bestandteil des Lebens. In den Jahren 2001/2002 wurden deshalb das damals hart verbaute Ufer vor dem Auenwald Schaffäuli entfernt und das Gerinne aufgeweitet, um so der Thur einen grösseren Raum vor dem Auenwald zur Verfügung zu stellen. «Es entstand dadurch ein dynamischer Gewässerraum, in dem Auflandungen und Erosion erwünscht sind», so Marcel Tanner, Ressortleiter Wasserbau. So seien im Hinblick auf die Lebensräume eine bedeutende Aufwertung für die standorttypische Flora und Fauna erreicht worden und überdies eine Vielzahl auentypischer Habitate (Weich- und Hartholzauen) entstanden, womit selten gewordene Pflanzen- und Tierarten gefördert werden konnten.

Kulturland muss verschont bleiben
Allerdings war klar, dass die neuen Freiheiten der Thur nicht grenzenlos sein durften. Deshalb wurden eine Beobachtungs- und eine 40 Meter dahinter liegende Interventionslinie festgelegt. Damit konnten zwei Ziele gleichzeitig anvisiert werden: Der Auenwald sollte in Zukunft nicht vor der Dynamik der Thur geschützt, sondern den natürlichen Kräften des Wassers ausgesetzt sein. Hingegen muss das landwirtschaftlich genutzte Privatland hinter dem Wald vor der Dynamik der Thur verschont bleiben.

Verborgener Schutz des Kulturlandes: Im Dezember 2014 wurden beim Auengebiet Schaffäuli massive Leitwerke eingebaut (oben), von denen heute nichts mehr zu sehen ist.

Verborgener Schutz des Kulturlandes: Im Dezember 2014 wurden beim Auengebiet Schaffäuli massive Leitwerke eingebaut (oben), von denen heute nichts mehr zu sehen ist.

Fünfzig Meter lange Leitwerke im Boden
In den Jahren 2012 und 2013 überschritt die Thur die Beobachtungslinie auf einer Länge von 100 Metern. Um weitere Seitenerosionen zu verhindern, welche die angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen gefährden, liess der Kanton Thurgau bei der Interventionslinie Leitwerke zu deren Sicherung erstellen. Die Sofortmassnahmen wurden ab Dezember 2014 und nach einem Unterbruch im Frühjahr 2015 umgesetzt und vor kurzem beendet, wie Heinz Rutishauser von der Abteilung Wasserbau und Hydrologie im Rahmen der Medienorientierung ausführte. Sechs im Abstand von 20 Metern angeordnete, je 50 Meter lange und 5 bis 6 Meter tief im Boden fundierte Leitwerke sorgen jetzt dafür, dass die im Prinzip gewünschte Dynamik der Thur auch langfristig keine Schäden am Kulturland nach sich zieht.

Der Lauf der Zeit: Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich dank der wieder zugelassenen natürlichen Dynamik der Thur das Landschaftsbild markant verändert – oben 2003, unten 2012. (Bild: zvg)

Der Lauf der Zeit: Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich dank der wieder zugelassenen natürlichen Dynamik der Thur das Landschaftsbild markant verändert – oben 2003, unten 2012. (Bild: zvg)

Erfahrungen werden genutzt
Die Bauarbeiten haben 985 000 Franken gekostet, wovon der Bund 35 Prozent trägt. Den einen oder anderen Steuerzahler mag es etwas fuchsen, dass es auf dem Gelände nichts ausser landwirtschaftlicher Nutzfläche zu sehen gibt. Denn im Gegensatz zu den einstigen harten Uferverbauungen entfalten die Betonriegel ihre Wirkung unter der Erdoberfläche – das Auge geniesst die unberührte Natur. «Wir haben dieses System erstmals angewandt und sind sehr zufrieden mit dem Resultat», so Amtschef Beat Baumgartner. Die Erfahrungen können jetzt auch in das Thur-Projekt Bürglen–Weinfelden einfliessen, wo ebenfalls Hochwassersicherheit und Renaturierung auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden sollen.


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