
Mal Ossi, mal Katze: Die wahre Christine Prayon verbarg sich vor dem Publikum, oder etwa doch nicht? (Bild: Emil Keller)
Eine Vorband nach der anderen kündigt die Hauptattraktion des Abends an, dabei steht sie doch schon längst auf der Bühne. Oder doch nicht? Christine Prayon, Trägerin des deutschen Kleinkunstpreises und bekannt aus der Satiresendung «heute-show», legte mit ihrem Programm «die Diplom-Animatöse» eine gewöhnungsbedürftige Darbietung auf das Parkett des Theaters an der Grenze.
Denn allzu sehr zum Lachen animierte Prayon anfangs eigentlich nicht. Viel eher versetzte sie das Publikum mit schlechtem Gesang, flachen Pointen und minutenlangem Schweigen in einen diffusen Zustand zwischen Unbehagen und Fremdschämen. An ihrem Selbstbewusstsein kratzten die ungläubigen Publikumsgesichter jedoch nicht, ist ihr doch von Amtes wegen bescheinigt, dass sie lustig ist.
Als Prayon dann noch unter ihrer Schizophrenie zu leiden begann und plötzlich ein halbes Dutzend Persönlichkeiten anfingen, auf der Bühne miteinander zu diskutieren, war die Verwirrung perfekt.
Verwandlung ohne Ende
Auf eine Auflösung des ganzen Theaters wartete man trotz zahlreicher Versicherungen seitens Prayons vergeblich. Diese wurde auch spätestens nach der Pause unerheblich. Denn als
sie sich im zweiten Teil von einer Operndiva in einen mit Brusthaaren und Einlegepenis bepackten Mann zu einem einäugigen, gebisslosen Clown verwandelte, konnte man sich trotz aller vorangegangener Persiflagen das Lachen nicht mehr verkneifen. Die Verwandlung gipfelte schlussendlich im Bühnentod von Christine Prayon. Doch auch aus dem Jenseits vermochte sie das Publikum noch zu veräppeln. Herausragend an der Darbietung war zweifelsohne das schauspielerische Talent von Prayon, sich als Zuschauer jede Woche eine solche Show anzutun würde aber an Masochismus grenzen. Ein, zwei Auflockerungslacher mehr hätten dem Auftritt sicher gut getan. In einem letzten Gespräch zwischen italienischem Gigolo und deutscher Geschäftsfrau zeigte sie dann auch auf, dass sie einen klassischen Sketch beherrscht.
Für die letzte Veranstaltung des diesjährigen Kabaretts in Kreuzlingen war Prayon aber eine ausgezeichnete Wahl. Mit ihren vielfältigen Rollen und verschrobenem Humor fasste sie verschiedenste Kabarettarten zusammen und bot gleichzeitig etwas Neues.
Weniger Besucher
Programmleiter Micky Altdorf zieht eine durchzogene Bilanz vom KIK: «Mit der Programmierung war ich sehr zufrieden. Nach 2006 war dies qualitativ das beste Festival in der 15-jährigen Festivalgeschichte.» Doch trotz dem hohen Künstlerniveau fielen die Besucherzahlen überraschend niedrig aus. «Wir hatten eine Auslastung von 60 Prozent, was im Gegensatz zu den letzten Jahren mit deutlich über 80 Prozent doch einen stärkeren Rückgang bedeutet», sagt das Vorstandsmitglied. Über die Gründe dafür kann er nur spekulieren: Beim diesjährigen KIK war nur ein Schweizer Künstler gebucht und der starke Franken könnte die deutschen Zuschauer fern gehalten haben. «Der Anteil der deutschen Zuschauer war aber mit 70 Prozent doch sehr hoch», sagt Altdorf.
Gefreut hat ihn beim diesjährigen Festival, dass Zuschauer teils einen sehr weiten Weg auf sich genommen haben für die Veranstaltungen. «Wir hatten Zuschauer von Pfäffikon über Lörrach bis Ulm», sagt Altdorf.
Das Programm für 2016 steht schon und soll deutlich musiklastiger werden. Von Hagen Rether bis Fabian Unteregger, von Simon Enzler bis Maxi Schaffroth hat Altdorf eine abwechslungreiche Mischung zusammengestellt. «Ausserdem werden wieder mehr Schweizer Künstler am Start sein, als 2015.»