«Für uns war die Aufhebung der Frankenuntergrenze keine Überraschung», sagt Lucas Baumann, Leiter Marketing und Kommunikation bei der Rausch AG. «Der Zeitpunkt dafür war jedoch unerwartet.» Vor der Aufgabe des Euro-Mindestkurses hatte die Schweizer Nationalbank noch angekündigt, an den Interventionsbeiträgen festzuhalten.
Direktoriumsmitglied Fritz Zurbrügg rechtfertigt nun diese Kehrtwende gegenüber dem «Blick» mit der Angst vor Spekulationen. «Wir haben immer gewusst, dass wir einen Ausstieg nicht kommunikativ vorbereiten können. Eine Vorwarnung wäre eine Einladung an Spekulanten gewesen.»
20 Prozent weniger in der Kasse
Der von der SBB erwartete Ansturm von Einkaufstouristen blieb am Wochenende noch aus, doch der Preisdruck auf grenznahe Händler wächst. Aber auch inländische Betriebe fürchten sich vor noch günstigeren Importen. Die Industrie- und Handelskammer Thurgau hält gar eine negative Preisentwicklung für möglich.
Die grössten Arbeitgeber in Kreuzlingen, wie die Ifolor, Mowag, Holy Fashion Group oder Alcan exportieren ihre Produkte auch ins Ausland. Etwa die Rausch AG, welche Haarpflegeprodukte herstellt. Sie verkaufen in den Euroraum, aber auch nach China, Hong-Kong und Saudi-Arabien. «Wenn immer möglich fakturieren wir unsere Exporte in Franken», sagt Baumann. Auch profitiere die Rausch davon, dass sie die meisten ihrer Kräuter in der Schweiz einkaufe und inländisch verarbeite. Hinzu kommt, dass sie in Deutschland, Österreich und Italien einen eigenen Vertrieb unterhalten. «Es ist natürlich ärgerlich, wenn dort 20 Prozent weniger in der Kasse landet», so Baumann. Beunruhigt sei er aber nicht um den Standort Kreuzlingen. «Wir sind mit unseren Produkten breit aufgestellt.»
Keine Entlassungen
Auch Filip Schwarz, welcher aufs neue Jahr die Stelle als CEO bei der Ifolor übernommen hat, sieht das Kreuzlinger Personal nicht in Gefahr. Spüren würde das international aufgestellt Fotografieunternehmen den neuen Wechselkurs schon. «Wir merken das in unserer in Franken geführten Buchhaltung. Alles was aus dem Euro umgerechnet werden muss, ist plötzlich 20 Prozent weniger wert», so Schwarz. Er sorgt sich jedoch viel mehr um die hiesigen Handelsbetriebe, welche dem Preisdruck nun noch stärker ausgesetzt sind.
Längerfristig ausgelegt
Die Holy Fashion Group, zu der auch Textilmarken wie Strellson oder Joop gehören, hat im Oktober bekannt gegeben ihren Hauptsitz von Deutschland nach Kreuzlingen zu verlegen. Die Geschäftsleitung möchte sich erst nächste Woche zur Frankenstärke und den Auswirkungen auf die Gruppe äussern.
Für die General Dynamics European Land Systems – Mowag GmbH, welche am Standort Kreuzlingen rund 620 Mitarbeiter beschäftigt, hat die Frankenstärke keine kurzfristigen Auswirkungen. «Das Rüstungsgeschäft ist von langfristigen Beschaffungszyklen geprägt. Zudem besteht ein grosser Anteil unserer Produktionskosten aus Material, dass wir im Euro- und Dollarraum einkaufen. Wir werden jedoch die langfristige Entwicklung der Wechselkurse weiterhin sehr aufmerksam verfolgen», erklärt Mediensprecher Pascal Kopp. Viel wichtiger für die Wettbewerbsfähigkeit der Mowag seien andere Bedingungen: «Politisch sind für uns die Gesetzgebung und die Bewilligungspraxis für Wehrtechnik-Exporte entscheidend. Um weiterhin erfolgreich zu sein, sind wir auch in Zukunft auf rechtliche Rahmenbedingungen angewiesen, die sich am Standard der europäischen Mitbewerber orientieren», so Kopp.
Überbewerteter Franken
Die SNB begründet die Aufhebung der Eurountergrenze auch damit, dass die Wirtschaft diese Phase nutzen konnte, um sich auf die neue Situation einzustellen. Die Rausch AG habe genau dies in den vergangenen Jahren gemacht und nun verschiedene Szenarien in der Schublade. Wichtig sei es in solchen Situationen, ruhig Blut zu bewahren, und den Kopf nicht in den Sand zu stecken, wie Baumann erklärt. Er hofft, dass sich die Überbewertung des Franken bald wieder einpendle, «ein realistischer Wechselkurs wäre 1,10 Franken für einen Euro.» Baumann glaubt aber nicht, dass dies in nächster Zeit geschehen wird.