
Die Lehrer schufen an ihrem Weiterbildungstag zwar einen Dresscode. An Kreuzlinger Schulen implementiert oder gar empfohlen ist dieser deswegen noch lange nicht. (Bild: Julien Christ / pixelio.de)
Die Kreuzlinger Schule «hat sich den Dresscode mithilfe eines Stilberaters selbst erteilt.» Dieser «gilt ab sofort für die 300 Lehrerinnen und Lehrer.» Nachrichten wie diese konnten Kreuzlinger Lehrpersonen in den vergangenen zwei Wochen aus Medienberichten unter anderem auf Spiegel Online entnehmen. Schon wer Jeans, Turnschuhe, T-Shirts mit Aufdruck oder Kapuzenpullis trägt, verstösst dagegen – viele also tagtäglich. Klar, dass da nicht wenige Pädagogen wissen wollten, was dahinter steckt. Und über eine möglicherweise durch die Hintertür implementierte Kleidervorschrift alles andere als glücklich gewesen wären.
Was die Schulbehörde prompt zu einer Rechtfertigungsmail veranlasste. Diese blieb allerdings die einzige offizielle Stellungnahme von ganz oben zu diesem Thema. Es gibt keine Empfehlung der beiden Kreuzlinger Schulbehörden an die Kreuzlinger Lehrerschaft, wie diese sich kleiden könnten oder sollten, und einen von den Behörden freigegebenen Dresscode, den gibt es, wie unsere Recherchen ergaben, schon ganz und gar nicht.
Nun kann man viel spekulieren, warum der Schulpräsident nicht sofort dementierte und, im Gegenteil, dafür sorgte, dass sich eine Falschmeldung in Windeseile in die Redaktionen nicht nur hier im Lande verbreitete. Ein schlechtes Bild der journalistischen Arbeitsweise heutzutage zeichnet der Vorfall ausserdem. Wie konnte die Meldung vom angeblichen Dresscode zum derartigen Selbstläufer werden?
Zur Kenntnis weitergeleitet
Am Anfang stand bekanntlich der jährliche Weiterbildungstag, organisiert von der Pädagogischen Kommission, einem vierköpfigen Gremium, in dem unter anderem René Zweifel, Schulleiter des Pestalozzi, sitzt. Workshops unter dem Motto «Auftreten, wirken, begeistern» gab es da, nur einer der angebotenen sechs handelte über adäquate Kleidung. Im Anschluss an den Weiterbildungstag leitete Zweifel die Ergebnisse der Workshops wie üblich zur Kenntnisnahme ans Kollegium weiter, darunter auch ein Artikel, in dem der Leiter des Dresscods-Workshops, Jeroen van Rooijen, das von ihm zusammen mit knapp einem Fünftel der Kreuzlinger Lehrerschaft Erarbeitete für die Leser der NZZ zusammenfasste. Auf diesen Artikel stürzten sich die Journalisten. Aus der «Diskussionsbasis» für Lehrer weit und breit, als die der in Teamwork konzipierte Leitfaden gedacht war, wurde in vielen folgenden Meldungen der «Dresscode an Kreuzlinger Schulen».
«Von uns autorisiert war nur der erste Zeitungsbericht», erklärt Zweifel. «In den anderen wurde einiges falsch kolportiert und aufgebauscht.» Ein Dresscode sei in seiner Schule gar nicht nötig: «Wir haben die Hausordnung, das reicht.» Zweifel habe noch nie eine Reklamation über schlampig angezogene Lehrer erhalten. «Und wenn, dann würde ich sofort reagieren – sonst hätte ich den Job verfehlt», sagt der Schulleiter.
Andere Kompetenzen wichtiger
Zweifel gab erst kürzlich seine Kandidatur für die Wahl um das Amt des Schulpräsidenten bekannt. Wir haben auch die restlichen drei Anwärter gefragt, was sie zur Zeitungsente des Jahres sagen. «Mich erinnert es ein bischen an die Diskussion um die Schuluniformen vor einigen Jahren», sagt SP-Kandidat Silvano Castioni. Wie seine Mitstreiter findet er aber, dass es nicht schaden kann, sich über dieses Thema Gedanken zu machen. Noch-Stadtrat David Blatter (SVP) versteht den medialen Wirbel um eine eigentlich interne Angelegenheit nicht: «Ich traue den meisten Lehrpersonen zu, zu wissen, was sie anlegen sollten oder was nicht.» Primarschulbehördenmitglied Michael Stahl (FDP) sagt klipp und klar: «Die didaktische und pädagogische Kompetenz steht für mich an erster Stelle.»