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Hitzige Diskussionen um den Boulevard

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(V.l.) Stadtammann Andreas Netzle, Gewerbler Ralph Schär und Patrick Wiget. (Bild: sb)

(V.l.) Stadtammann Andreas Netzle, Gewerbler Ralph Schär und Patrick Wiget. (Bild: sb)

Der Stadtrat hatte die Bevölkerung zum Informationsabend eingeladen. Thema war der Boulevard-Verkehr: 9000 Autos fahren täglich über die umgebaute Hauptstrasse. Fast jedes dritte davon wird dem Durchgangsverkehr zugerechnet. Dieses Aufkommen soll reduziert werden – doch wie das geschehen soll, darüber herrscht Uneinigkeit.

«9000 Autos, das ist doch eigentlich gar kein so grosses Problem», rief Verkehrsplaner Dominik Hasler gegen Ende der Veranstaltung aus. Es wurde teilweise heftig diskutiert, sodass sich einer der Moderatoren in seinem Schlusswort veranlasst sah, zu mahnen: «Bleiben Sie sachlich, damit Sie sich nach der Abstimmung, egal wie diese ausgeht, auch noch in die Augen sehen können.»

Das sind die vier Seiten:
- Der Stadtrat, er favorisiert eine provisorische Einbahnregelung, vorerst für ein Jahr. Dagegen gab es Rekurse (mittlerweile in erster Instanz abgewiesen), eine Volksinitiative wurde lanciert.
- Die Volksinitiative für einen autofreien Boulevard will eine Fussgängerzone. Am 28. September wird darüber abgestimmt.
- Das Gewerbe hätte nichts lieber als mehr Parkplätze direkt vor dem eigenen Laden.
- Der Quartierverein als Anwohnervertretung entwirft Schreckensszenarien, sollte der Boulevard gesperrt werden, und will lieber den Status Quo erhalten.

«Wir haben zu viel Verkehr, daran haben wir uns gewöhnt – trotzdem kann es so nicht weitergehen», schickte Stadtammann Andreas Netzle in seiner Einleitung voraus. Dann stellten drei Fachplaner ihre Studien vor, welche die Stadt im Zusammenhang mit dem Boulevard in Auftrag gegeben hatte.

An der anschliessenden Podiumsdiskussion nahmen neben Stadtrat Michael Dörflinger und Stadtammann Andreas Netzle auch Gemeinderat Daniel Moos für die Initiative autofreier Boulevard und Patrick Allemann als Vertreter des Quartiervereins Bodan teil. Für die Kreuzlinger Gewerbetreibenden standen Ralph Schär (Haberer Schuh AG) und Patrick Wiget (Raumkult) am Tisch.

Daniel Moos verwies auf den Verkehrsrichtplan von 2011 und versuchte, Bedenken gegen eine Fussgängerzone zu zerstreuen: «Der Verkehr wird nicht über die kleinen Quartierstrassen abfliessen.» Kreuzlingen habe zudem «riesiges Potenzial, um die Leute mit dem ÖV in die Stadt zu holen». Moos sagte auch, dass er die Ängste des Gewerbes verstehen könne. Eine Fussgängerzone sei jedoch ein richtungsweisender Entscheid und «eine Riesenchance». Wie Massnahmen aussehen können, um diese dann auch zu beleben, oder wer diese in die Wege leiten und bezahlen soll, konnte er leider nicht darlegen.

Vorwurf des Populismus
«Eine gute Lösung kann nur miteinander gefunden werden. Die Bevölkerung wird aber nicht wahrgenommen», richtete Patrick Allemann als Direktbetroffener aus dem Quartier zunächst Kritik an den Stadtrat. «Ihr versteckt euch mut- und konzeptlos hinter Studien und Modellen, Visionen fehlen.» Bei der Planung habe man sich hinsichtlich der Verkehrsreduktion um 50 Prozent verschätzt. Sollte die Initiative autofreier Boulevard im September angenommen werden, befürchtet er Schlimmstes: «Das führt zu einer Verelendung des Boulevards, dann hat es überall Zustände wie am Rondo.» Die Initiative bezeichnete er als «populistisch und gefährlich». Es sei vernünftiger, dem Boulevard eine Chance zu geben, wie er ist.

Das Gewerbe lehnt die Fussgängerzone nicht grundsätzlich ab. Zum jetzigen Zeitpunkt würde sich eine Sperrung des Boulevards für den motorisierten Verkehr aber fatal auf die Geschäfte auswirken, verdeutlichte Patrick Wiget und kündigte die Gründung eines Nein-Komitees an. «Wir werden unser Möglichstes tun, um eine solche zu verhindern.» Schon heute forderte Ralph Schär Massnahmen, um den Boulevard zu beleben.  «Die Zeit ist noch nicht reif für eine Fussgängerzone. Die dafür nötigen Frequenzen sind in Kreuzlingen nicht gegeben.»

Für Stadtammann Andreas Netzle ist eines klar: «Der Stadtrat hat den Auftrag erhalten, den Durchgangsverkehr zu reduzieren.» Deswegen verwahrte er sich gegen die Kritik Allemanns. «Unsere Lösung wurde verhindert», schoss der Stadtammann zurück. «Ihr müsst euch mal festlegen, was ihr wollt.» Man habe Massnahmen präsentiert, diese dem Feedback gemäss nachgebessert, woraufhin es Rekurse gab und die Initiative lanciert wurde.

Gegenvorschlag kommt nicht
Auf die Frage, ob ein Gegenvorschlag zur Initiative erarbeitet werden könne, antwortete er, dass man mit den Initianten gesprochen, aber dabei keinen Kompromiss gefunden habe, der für beide tragbar wäre. «Wir wollen nicht, dass der Boulevard gesperrt wird. Ausserdem: Einen Gegenvorschlag haben wir indirekt schon vorgelegt.» Schlussendlich bestehe aber die  theoretische Möglichkeit, dass der Gemeinderat einen solchen erarbeitet, schickte Netzle eine Spitze in Richtung Stadtparlament.


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